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Dissertationen

Thema
Einvernahmeprotokolle lesen: Eine wissenssoziologische Untersuchung zur Rezeption von Einvernahmeprotokollen in schweizerischen Strafverfahren (abgeschlossen)

Doktorandin Franziska Hohl Zürcher 

Referent Prof. Dr. Christian Joppke (Universität Bern)​

Zeitraum ​Beginn: 1. September 2013 - ​ 1. November 2021

  • Beschreibung

    Vernehmungsprotokolle sind zentrale Dokumente in Strafverfahren. Sie führen mündliche Aussagen als Schriftdokument in das Strafverfahren ein und auf diese Schriftstücke wiederum stützen sich Gerichte in mittelbaren Verfahren.

    Immer wieder wird vermutet, dass die Art und Weise, wie Vernehmungsprotokolle gestaltet sind, den Gang von Strafverfahren beeinflussen kann. Allerdings gibt es kaum empirische Studien dazu. Basierend auf einer experimentellen Studie mit Schweizer Richterinnen und Richtern wird in der Dissertation erstmals systematisch untersucht, wie formale Merkmale von Einvernahmeprotokollen (Befragungsstil, handschriftliche Berichtigungen, monologische Darstellung, geglättete Sprache) Einschätzungen wie beispielsweise die Glaubhaftigkeit der Aussage oder die Rechtmässigkeit der Vernehmung beeinflussen.


Thema
Schriftprotokolle in Jugendstrafverfahren (abgeschlossen)

Doktorand Jonathan Marston

Referentin Prof. Dr. iur. Nadja Capus (Universität Basel)

Zeitraum Beginn: 1. November 2012 - Abschluss: 30. September 2016

 

  • Beschreibung

    Protokolle haben in Strafverfahren eine grosse Bedeutung, weil ihnen in der Regel ein hoher Beweiswert zugeschrieben wird: Aussagen werden fixiert und für spätere Anwender aufbereitet. In Jugendstrafverfahren sind es Aussagen von Jugendlichen, die verschriftlicht werden: dabei wird im Rahmen der Einvernahmen oftmals der Sachverhalt geklärt, das Geständnis des Jugendlichen erfragt. Wieviel von einem solchen Gespräch ist zu protokollieren? Und mit welchen Worten? Die Arbeit untersucht aus rechtswissenschaftlicher und kriminologsicher Sicht, welche Rolle Protokollen in Jugendstrafverfahren zu kommt.


Thema
Beschleunigung im Strafverfahren. Eine empirische Studie zum Strafbefehl (abgeschlossen)

Doktorandin Mirjam Stoll

Referenten Prof. Dr. phil. Ueli Mäder (Universität Basel) und Prof. Dr. iur. Nadja Capus

Zeitraum Beginn: 1. Dezember 2011 - Abschluss: 30. November 2015

 

  • Beschreibung

    FD_protokollforschung_Mirjam_Stoll_publikation.jpgBeschleunigte Formen von Strafverfahren haben in vielen Rechtsordnungen enorme Bedeutung erhalten. Am Beispiel des Strafbefehlsverfahrens in der Schweiz, das ohne Gerichtsverhandlung zu einer Verurteilung führt, wird untersucht, wie die Behörden diese Beschleunigung in der Praxis erreichen.

    Das Strafbefehlsverfahren steht zuweilen in der Kritik, mit den Beschuldigten „kurzen Prozess“ zu machen, und gilt nur deshalb als rechtsstaatlich zulässig, weil es ausschließlich bei relativ leichten Delikten, ausreichender Beweislage und mit Zustimmung der beschuldigten Person angewendet werden kann. Die Studie zeigt auf, dass diese Falleigenschaften nicht objektiv gegeben sind, sondern auf einer Konstruktionsleistung von Polizei und Staatsanwaltschaft beruhen, und die Gesetzesregelungen den Behörden so viel Spielraum zur Verfahrensbeschleunigung lassen.

    Anhand einer qualitativen Analyse von Schweizer Strafakten in der Tradition der law in action-Forschung werden einzelne Verfahren in ihrem Verlauf nachgezeichnet. Dabei werden erstmals systematisch die Strategien herausgearbeitet, mit denen die Strafverfolgungsbehörden die Eigenschaften herstellen, die es erlauben, den Fall mit wenig Aufwand per Strafbefehl abzuschließen. Als Beispiel kann die Reduktion der Tatvorwürfe – eine von fünf dieser Abschlussstrategien – dienen: Eine teilweise Einstellung des Verfahrens in umstrittenen Punkten kann dazu beitragen, dass die Deliktschwere noch in den für Strafbefehle zulässigen Bereich fällt und die beschuldigte Person den Strafbefehl akzeptiert.

    Diese Analyse legt nicht nur die problematische Legitimationsbasis des Strafbefehlsverfahrens offen, sondern macht auch allgemeine Mittel der Beschleunigung sichtbar, die unabhängig von der Verfahrensform zur Anwendung kommen können. Durch den Vergleich mit ordentlichen Strafverfahren kann zudem dargelegt werden, in welchen Punkten das Strafbefehlsverfahren weniger zu leisten vermag als länger dauernde Verfahren, die mit einer Gerichtsverhandlung enden.

    Verfahrenssoziologische Studien etwa von Niklas Luhmann, Bruno Latour oder Thomas Scheffer haben die epistemischen Leistungen der zeitlichen Streckung und Mehrstufigkeit von Verfahren betont. Wie Straffälle schnell entscheidbar gemacht werden können, wurde hingegen bisher wenig bearbeitet. Zudem ist das Strafbefehlsverfahren trotz seiner großen Praxisrelevanz (über 90% der Verurteilungen in Strafsachen in der Schweiz und rund 50% in Deutschland ergehen per Strafbefehl) kaum empirisch erforscht. Die Studie trägt dazu bei, diese Lücken zu schließen. 

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