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Stehgewässer

stehgewasser

Praktisch alle stehenden Gewässer sind potenzielle Fortpflanzungsgewässer für Amphibien. Während der hohe biologische Wert beispielsweise von Teichen, Weihern oder natürlichen Seeufern allgemein bekannt ist, wird aus Sicht des Amphibienschutzes vor allem kleinen und kleinsten Stehgewässern nur ungenügende Wertschätzung entgegen gebracht. Tatsächlich werden aber zahlreiche dieser Tümpel und Pfützen, die oft als Landschaden betrachtet werden, von Amphibien als Laichgewässer genutzt. Das können Spuren von schweren Fahrzeugen auf Waffenplätzen, in Kiesgruben oder in Holzschlägen sein, aber auch Pfützen am Wegrand oder wassergefüllte Mulden und Löcher, beispielsweise von ausgerissenen Wurzelstöcken im Wald. Quellaufstösse, Suhlen von Rot- und Schwarzwild oder winzige Wasseransammlungen am Fuss von Felsen oder Böschungen sind Beispiele dafür, wie solche Kleinstgewässer auch natürlicherweise entstehen können.

Kleinstgewässer, welche regelmässig austrocknen, werden als Tümpel bezeichnet. Sie weisen hohe Wassertemperaturen auf, sind vegetationsarm oder sogar frei von Bewuchs, und Fressfeinde für Amphibien fehlen meist vollständig. Amphibienarten wie die Kreuzkröte und die Gelbbauchunke sind geradezu spezialisiert auf derlei Gewässer. Pfützen und Tümpel werten den Lebensraum der Ringelnatter auf und sorgen dafür, dass sich ihre Hauptnahrung – Amphibien – ausreichend vermehren kann. Tümpel verschwinden ebenso rasch wie sie entstehen, was zur natürlichen Dynamik solcher Standorte gehört und für ihre Bewohner ohne nachhaltige Folgen bleibt.

 

Etwas flächigere Stehgewässer werden als Weiher bezeichnet. Sie sind in der Regel auch etwas tiefer als Tümpel, aber das Sonnenlicht dringt problemlos bis auf ihren Grund. Manche Weiher führen dauerhaft Wasser, manche trocknen dann und wann aus. Meist sind Weiher reich an Unterwasser- und Schwimmblattpflanzen wie Seerosen, und in zahlreichen Fällen sind sie von einem Gürtel aus Röhricht umgeben. Die Entstehungsgeschichte von Weihern ist sehr unterschiedlich. Viele entstanden in Mulden oder Toteislöchern, nachdem sich die Gletscher der letzten Eiszeit aus den Niederungen zurückgezogen hatten. Wo Bäche und Flüsse ihre Tonfracht deponierten und wasserundurchlässige Bodenschichten schufen, konnten ebenfalls Weiher entstehen.

Je nach Beschaffenheit eines Weihers fühlen sich darin unterschiedliche Amphibienarten wohl. Massgebend sind seine Fläche, Tiefe, Temperatur und sein Wasserregime, aber auch, ob ein Bach zufliesst oder nicht. Durchflossene Weiher sind meist relativ kühl und für Arten geeignet, welche an derartige Verhältnisse angepasst sind und auch in den höheren Lagen vorkommen: Bergmolch, Erdkröte und Grasfrosch. Auch die Geburtshelferkröte kommt mit kühlen Gewässern gut zu Recht. Besonders wertvoll für Amphibien sind grundwassergespeiste Weiher. Sie sind in der Regel wärmer und damit auch für seltene Arten wie den Kammmolch, Teichmolch oder Laubfrosch geeignet. Flache Uferpartien sind äusserst vorteilhaft, da sich hier – je nach Wasserstand – wieder isolierte Pfützen und Tümpel bilden können, welche wieder anderen Arten günstige Verhältnisse bieten, als der Hauptweiher selber. An solchen Stellen finden wir oft eine hohe Artendichte, nicht nur an Amphibien. Die Ringelnatter ist regelmässig an Weihern anzutreffen. Im Tessin lebt hier die Würfelnatter, im Kanton Genf die Vipernatter. Wald- und Zauneidechsen nutzen oft die sonnigen Uferpartien von Weihern, vor allem, wenn dort auch trockenere Stellen vorhanden sind.

Weiher wurden vom Menschen über Jahrhunderte hinweg bewirtschaftet, und zum Teil legte er eigentliche Nutzweiher an. Solche Gewässer nennt man Teiche. Sie verfügen oft über ein System – als Mönch bezeichnet -, das es erlaubt, den Teich zu leeren. Teiche wurden zur Produktion von Eis, zum Wässern von Hanf und hölzernen Dachtraufen oder für Bewässerungszwecke genutzt, oder sie dienten als Reservoir für den Antrieb von Mühlen, Sägen oder Knochenstampfen. Bis heute sind noch vereinzelt Fisch- und Ententeiche, da und dort auch Feuerlöschteiche übrig geblieben. Je nach Nutzung können Teiche für Amphibien attraktiv sein. Namentlich die regionentypischen Feuerlöschteiche im Emmental und im Appenzellerland werden gerne von der Geburtshelferkröte als Laichplatz genutzt – und bis heute erklingen ihre glockenartigen Rufe nachts aus dem einen oder anderen Bauerngarten.

 

Der Wasserkörper von Seen ist gross, und das Sonnenlicht erreicht ihren Grund an den tieferen Stellen nicht mehr. Sie werden immer von Fischen besiedelt. Welche Amphibienarten einen See als Laichgewässer nutzen, wird von dessen Temperatur und den vorhandenen Uferstrukturen bestimmt.

Steile, vegetationsarme Ufer deuten auf grosse Seetiefen und entsprechend niedrige Wassertemperaturen hin, wie beispielsweise am Vierwaldstätter- oder am Brienzersee, und auch die künstlichen Baggerseen weisen ähnliche Eigenschaften auf. Derartige Gewässer können vor allem von der Erdkröte genutzt werden, zumal sie gut mit den Fischen zu Recht kommt. In kleineren Seen finden wir auch die kälteresistenten Geburtshelferkrötenlarven. Sonnige Uferabschnitte werden gerne von den Wassernattern besiedelt, vor allem wenn sie natürlich geblieben oder naturnah verbaut sind. Im an Schweizer Seeufern häufig anzutreffende Blockwurf finden sich zusätzlich auch andere Reptilienarten, die an und für sich keine halbaquatische Lebensweise führen, aber die mit Felsblöcken und Steinen stabilisierten Uferzonen ähnlich wie eine Blockhalde nutzen. Dazu gehören an vielen Orten die Mauereidechse, aber auch verschiedene Schlangenarten.

Anders die Situation an flachufrigen Seen: Hier wächst eine reiche Unterwasser- und Schimmblattvegetation, und es bilden sich ausgedehnte Röhrichte aus. Die Wassertemperaturen sind meist relativ hoch, die Bedingungen ähnlich wie an einem Weiher. Unter den Reptilien trifft man auf die Europäische Sumpfschildkröte und die Ringelnatter, die Amphibien sind durch die Wasserfrösche, die Erdkröte, den Grasfrosch, den Bergmolch, den Fadenmolch und natürlich den eingeschleppten Seefrosch vertreten. An den warmen Tieflandseen der Schweiz kommen zusätzlich der Laubfrosch, der Teichmolch und die Gelbbauchunke vor. Falls das Schilf nicht zu dicht steht, rufen da und dort sogar die Kreuzkröten.

Die wertvollsten Lebensräume für Amphibien stellen an den Seeufern jedoch Überschwemmungsflächen dar, welche bei hohen Seespiegelständen vor allem im Frühling und Sommer beim Abfluss des Schmelzwassers auf den Alpen temporär überflutet werden. Diese Flächen sind Brutgebiete von zahlreichen Fischen, Amphibien und Wirbellosen. Hier geht der Lebensraum See nahtlos in die Lebensräume Flachmoor und Feuchtwiesen über.  

Viele Seen der Alpenrandregionen - beispielsweise der Vierwaldstättersee, der Thuner- und Brienzersee, der Lago Maggiore und der Lago di Lugano - zeichnen sich durch einige Gemeinsamkeiten aus: Sie liegen in tief eingeschnittenen Tälern, sind bis über 300 Meter tief, und die steil abfallenden Bergflanken, welche sie begrenzen, setzen sich am Ufer auch unter Wasser fort. In der Regel weisen die Uferbereiche kaum Vegetation auf und bestehen unter dem Wasserspiegel aus Blockhalden und Felsen. Durch die grosse Tiefe der Seen bleiben die Wassertemperaturen auch im Sommer verhältnismässig kühl.
 
Erdkröten besiedeln die steilen Wälder rund um die Alpenrandseen zum Teil heute noch in sehr grossen Populationen. Als Laichplatz kommt eigentlich nur das Seeufer in Frage. Aber erst vor rund 20 Jahren wurde sich die Wissenschaft bewusst, welch bemerkenswerte Laichplätze diese Seeufer tatsächlich darstellen. Eine Studie am Vierwaldstättersee brachte nämlich Erstaunliches zutage: Normalerweise wandern die Erdkröten an solchen Stellen fünf bis sieben Wochen später zu den Laichplätzen als ihre Artgenossen ,die zwar in derselben Region, aber in Weiher oder Teiche und nicht in den See ablaichen. Also erscheinen die ersten Erdkröten nicht vor Anfang April am Seeufer. Die Gründe dafür bleiben im Dunkeln, und Erklärungen sind spekulativ: Die Landlebensräume der Kröten können ein bis zwei Kilometer weit vom Seeufer entfernt liegen, und damit auch gut 1‘000 Höhenmeter weiter oben. Es liegt auf der Hand, dass dort ein raueres Klima herrscht und die Aktivität der Erdkröten später einsetzt. Interessanterweise wandern aber alle Kröten sehr synchron zu den Laichplätzen am Seeufer, unabhängig davon, ob sie von der klimatisch begünstigten südexponierten Bergflanke oder der schattigeren nordexponierten anwandern. Möglicherweise ist die Wassertemperatur des Sees entscheidend. Obwohl diese grundsätzlich relativ tief ist, steigt sie im Mai deutlich an und bietet wohl erst jetzt geeignete Lebensbedingungen für die Larven.
 
Die Wanderung zum Seeuferlaichplatz gestaltet sich für die Kröten abenteuerlich: Die steilen Bergflanken verlangen nach waghalsigen Kletterpartien, manchmal purzeln die Tiere aber auch förmlich hangabwärts. Im seichten Wasser sitzend ruhen sich die Kröten eine Zeitlang aus, bevor sie ein erstes Mal in die Tiefe tauchen, zuerst noch zaghaft, bis auf maximal einen Meter. Von hier aus tauchen sie innerhalb einer Stunde gewöhnlich noch zwei bis drei Mal auf, und erst nach dieser Angewöhnungsphase tauchen sie zu den in fünf bis sieben Metern Tiefe gelegenen Laichplätzen ab. Taucher hören die Erdkrötenmännchen unter Wasser rufen. Die Kröten scheinen ihren Sauerstoffbedarf über die Haut zu decken und brauchen deshalb nicht aufzutauchen. Der Wasserdruck, welcher auf die Tiere einwirkt, ist bereits in dieser Tiefe beträchtlich. Taucher berichten sogar von einzelnen Tieren zwischen 20 und 40 Metern Tiefe, und Berufsfischer staunten nicht schlecht, als sie Erdkröten in aus solchen Tiefen gehobenen Netzen feststellten.
 
Die Studie im Vierwaldstättersee hat gezeigt, dass der Laich in einer Tiefe von zwei bis sechs Metern an Felsblöcke geheftet wird. Laich in grösseren Tiefen scheint sich nicht mehr erfolgreich entwickeln zu können. Es wird vermutet, dass die Laichschnüre zum Schutz vor Wellenschlag in grösserer Tiefe deponiert werden als beispielsweise in einem Kleingewässer. Auch könnte der Prädationsdruck in tieferen Lagen kleiner sein. Nach Aussagen von Tauchern halten sich während der Krötenlaichzeit vor allem Egli (Perca fluviatilis) vermehrt an deren Laichplatz auf. Sie fressen sowohl Laich als auch Larven. Wie lange die Entwicklung der Larven unter Seeuferbedingungen im Vergleich zu „regulären“ Laichgewässern dauert, ist noch ungeklärt.
Auch Grasfrösche laichen vereinzelt im Vierwaldstättersee. Die Laichballen liegen weniger tief, aber immer noch in Tiefen von ein bis vier Metern. Es ist noch unklar, ob dieses Laichverhalten, das sich grundlegend von dem benachbarter Populationen, welche in Kleingewässer ablaichen, unterscheidet, genetisch fixiert oder rein opportunistisch ist.
 
Mit dem Automobilverkehr und dem Strassenbau kamen die Probleme an die Seeufer: Der Topographie entsprechend wurden Kantonsstrassen meist parallel zum Ufer geführt und schnitten damit Laich- und Landhabitat der Erdkröte vollständig entzwei. Noch in den 1950er-Jahren waren die Populationen stellenweise so gross, dass man während des Amphibienzugs um die Verkehrssicherheit fürchtete, weil die Strassen von den zahlreichen Kadavern glitschig geworden waren. Es stank zum Himmel vor lauter toter Kröten! Heute sind viele dieser riesigen Populationen stark ausgedünnt oder verschwunden. Lokal konnte das Problem der Strassenmortalität mit temporären oder dauerhaften Amphibiensperren gemindert werden.