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Fliessgewässer

fliessgewässer

Mit ihrer Hochwasserdynamik haben grössere und kleinere Fliessgewässer bedeutende landschaftsgestalterische Kraft. Auf dieses Weise entstehen im Bereich von Bächen und Flüssen immer wieder neue Lebensräume, die sowohl von Amphibien als auch Reptilien genutzt werden. Diese Lebensräume gehören zu den ursprünglichsten und natürlichsten Habitate der Tiere, sind heute aber selten geworden, weil der grösste Teil unserer Gewässer verbaut ist und keiner ausreichenden Dynamik mehr unterliegt. Es besteht die Hoffnung, dass derartige Lebensräume durch die bereits realisierten und für die Zukunft geplanten Gewässerrevitalisierungen, auch im Rahmen eines modernen Hochwasserschutzes, wieder an Bedeutung gewinnen werden.
 
Zwar gelten Fliessgewässer gemeinhin nicht unbedingt als typischer Amphibienlebensraum, aber dennoch trifft man verschiedene Arten immer wieder bei Fliessgewässern an. Der Feuersalamander kann sogar als typische Art von kleinen Fliessgewässern bezeichnet werden, da er hier einen grossen Teil seiner Larven absetzt. In der Schweiz pflanzt sich der Italienische Springfrosch vorwiegend in langsam fliessenden Bächen fort, und auch die Geburtshelferkröte und die Gelbbauchunke kommen in Fliessgewässern vor. Etwas seltener trifft man den eingeschleppten Seefrosch in Flüssen an, und selbst Grasfrosch und Erdkröte laichen in Ausnahmefällen in fliessende Gewässer ab.
 
Fast alle Reptilienarten sind im Hochwasserbereich von Bächen und Flüssen anzutreffen, weil hier immer wieder vegetationsarme, steinige Lebensräume entstehen. Die Wassernattern sind auch in den Gewässern selber zu finden, vor allem die Vipernatter und die Würfelnatter, welche hier gerne ihrer Hauptnahrung, den Fischen nachstellen.

 

Amphibien bewohnen selbst kleinste Fliessgewässer. Die Larven des Feuersalamanders findet man in nicht gefassten Quellen und in kleinsten Rinnsalen, die manchmal nur handbreit und wenige Zentimeter tief sind. Die Larven halten sich in kleinen, strömungsarmen Kolken auf, in denen sich Laub sammelt, das als Versteckplatz dient. Feuersalamanderlarven besiedeln oft die obersten, sauerstoffreichen Bachabschnitte, wo auch noch keine Forellen zu finden sind. Tatsächlich wurde der Begriff Feuersalamanderregion für solche Gewässerstrecken geprägt. Der Besatz dieser Gewässerabschnitte mit Brütlingen und Sömmerlingen der Bachforelle kann sich negativ auf den Feuersalamanderbestand auswirken, denn selbst die kleinen Fische fressen Beine und Kiemen der Salamanderlarven. Heute findet man die Larven des Feuersalamanders fast ausschliesslich in Waldbächen. Wären nicht zahlreiche der kleinen Wiesenbäche eingedolt, könnte man ihnen durchaus auch dort begegnen. Vor allem im Jura trifft man mit etwas Glück Feuersalamander- und Geburtshelferkrötenlarven in denselben Bachkolken an.
 
Der Italienische Springfrosch ist der einzige Froschlurch, der direkt in Bäche von ein bis zwei Metern Breite ablaicht. Damit die kleinen Laichballen nicht weggeschwemmt werden, heftet sie das Weibchen an Wurzeln, die ins Wasser ragen.

 

Kleinere Flüsse bieten ebenfalls Lebensraum für Amphibien und Reptilien. Während Wassernattern eher die Flussufer bewohnen und im Gewässer selber vor allem jagen, sind Amphibien wie die Gelbbauchunke und die Geburtshelferkröte dauernd in den Stillwasserbereichen, Nebengerinnen und in temporär gefluteten Kolken zu finden. Damit Nebengerinne entstehen, braucht das Fliessgewässer Platz zum mäandrieren und einen natürlichen Geschiebehaushalt. Hochwasser sorgen für geeignete Tümpel im Überschwemmungsbereich.
Für die Geburtshelferkröte geeignete Flüsse weisen Stillwasserbereiche auf, wo sich ihre Kaulquappen aufhalten können. Grobes Geröll und Totholz dienen als Versteckplätze, und bei Hochwasser ziehen sich die Larven unter grosse Steine zurück. Die Stillwasserbereiche dürfen durchaus leicht durchströmt sein, denn eine hohe Wassertemperatur spielt für die Geburtshelferkröte eine untergeordnete Rolle. Im Uferbereich müssen aber auch vegetationsarme Böschungen oder Rutschungen vorhanden sein, die den adulten Tieren als Lebensraum dienen. Natürliche Prallhänge bieten typischerweise geeignete Strukturen.
Gelbbauchunken sind vor allem in Felstümpeln oder schlammigen Hochwassertümpeln neben dem Hauptgerinne zu finden. Ihre Larven benötigen kleine und kleinste Pfützen mit einer hohen Wassertemperatur, damit sie sich rasch entwickeln können. Die Gewässerdynamik sorgt immer wieder für neue, vegetationsfreie Tümpel ohne Fressfeinde.

 

 

Unter einer Aue versteht man die vom wechselnden Wasserstand gestaltete Landschaft entlang eines Baches oder Flusses. Durch die Hochwasserereignisse dynamischer Bach- und Flusssysteme werden immer wieder neue Lebensräume geschaffen. Verbuschte oder verwaldete Flächen werden mit Sand, Kies und Geröll überdeckt, die bestehende Vegetation weitgehend oder vollständig vernichtet. Totes Schwemmholz sammelt sich zum Teil in grossen Haufen an. Solche Standorte haben für Reptilien grosse Bedeutung: Sie bieten über Jahre hinweg gut besonnte, strukturreiche Habitate und natürliche Eiablageplätze.
Derartige Geröll- und Geschiebeflächen werden allerdings erst nach einigen Jahren richtig attraktiv, wenn sich eine krautreiche Vegetation entwickelt hat und erste Büsche aufkommen, die zusätzlich Deckung bieten. Am Anfang sind sie zu kahl. Im weiteren Verlauf der Sukzession verwalden diese Lebensräume auf natürliche Weise und verlieren für Reptilien wieder einen Teil der Attraktivität. Durch neue Hochwasser entstehen aber immer wieder neue Habitate. Gewässernahe Geröllflächen, die der Hochwasserdynamik unterliegen, werden nicht nur von halbaquatischen Reptilienarten besiedelt. In den Tessiner Flusstälern beispielsweise findet sich dort die gesamte südalpine Reptilienfauna.
 
Durch die zahlreichen Gewässerverbauungen in der Schweiz sind solche Lebensräume vielerorts selten geworden, insbesondere im Mittelland, und unterliegen nicht mehr der notwendigen Hochwasserdynamik. Aber auch naturnahe Uferverbauungen können von zahlreichen Reptilienarten genutzt werden, allen voran von Wassernattern. Mauerwerk in Trockenbauweise, Steinkörbe oder Blockverbauungen seien als Beispiele erwähnt.
 
Dynamische Auen sind auch für Amphibien wertvolle Lebensräume, weil sich hier zahlreiche Weiher und Tümpel bilden. Am natürlichen Flusslauf des Tagliamento im nordostitalienischen Alpenvorland wurde im Rahmen einer Studie ein Gewässer pro Hektare gezählt. Die wiederkehrenden Überflutungen räumen viele der potenziellen Fressfeinde aus den Gewässern aus. Wenn die verbleibenden Tümpel relativ gross, aber flach sind, herrschen oft ideale Bedingungen für die Entwicklung von Amphibienlarven. Totholz fördert die Strömungsvielfalt und damit die Schaffung neuer Kleingewässer in Mulden und Hinterspülungen.
 
Auenbereiche, die nicht mehr regelmässig vom Hochwasser überflutet werden, charakterisieren sich durch kiesige oder sandige, lokal auch lehmige Böden. Sie trocknen oberflächlich rasch ab, der Grundwasserstand ist saisonabhängig, aber häufig hoch. In Auenwäldern finden sich Altarme des Fliessgewässers, ehemalige Mäander. Solche Altarme haben einen ganz andern Charakter als die Hochwasserweiher und -tümpel der aktiven Aue. Sie liegen nicht mehr in der Umlagerungszone des Hauptgerinnes und werden deshalb nicht mehr regelmässig ausgeräumt. Solche Gewässer weisen eine artenreiche Vegetation auf. Vor allem in den Alpen, aber auch im weiteren Alpenvorland werden Altarme über den Grundwasserspiegel immer noch stark von den natürlichen Wasserstandsschwankungen des Hauptgerinnes beeinflusst: Im Winter werden die Niederschläge in Form von Schnee im Gebirge gebunden, der Pegel der Flüsse ist tief, und viele Altarme fallen trocken. Im April oder Mai schwellen die schmelzwasserführenden Flüsse an, und die Altarme füllen sich termingerecht für die Amphibienlaichzeit mit Wasser.
Gewässer ausserhalb der regulären Überschwemmungszone sind aufgrund dieser Wasserstandsdynamik meist natürlicherweise fischfrei. Sie führen zudem ein reichhaltiges Nahrungsangebot, und ihre Wasserqualität ist überdurchschnittlich gut. Entsprechend leben in diesen Bereichen ausnahmslos alle einheimischen Amphibienarten, teilweise in grossen Beständen. Neben geeigneten Gewässern bieten Auen zusätzlich hochwertige, feuchte Landlebensräume mit einem reichen Nahrungsangebot.

 

 

Der Biber (Castor fiber), in jüngerer Zeit wieder vermehrt in der Schweiz heimisch, fällt Bäume, baut Dämme und staut Fliessgewässer. Nicht selten werden ganze Dammsysteme errichtet, und es entstehen regelrechte Teichkaskaden. Solche Biberteiche werden von zahlreichen Amphibienarten zum Teil in grosser Individuenzahl besiedelt – trotz der zahlreicher Fischen, welche in derartigen Gewässerkomplexen vorkommen. Man vermutet den Schlüssel zur erfolgreichen Koexistenz beim das Totholz im Wasser, das der Biber in grossen Mengen aktiv einbringt. Dadurch werden diese Gewässer so reich an Verstecken, dass ein grosser Teil der Amphibienlarven dem Schicksal im Fischmagen entgeht.
 
Mit seiner Holzfällertätigkeit sorgt der Biber auch dafür, dass die aufgestauten Gewässer gut besonnt sind und sich eine grasige, krautige Ufervegetation entwickelt. Er wirkt also landschaftsgestaltend und schafft auch an Land günstige Bedingungen für verschiedene Amphibienarten, aber auch für die Ringelnatter und andere Reptilien im unmittelbaren Gewässerbereich. Es gibt Bachtäler, die erst durch die Arbeit des Bibers für Amphibien und Reptilien besiedelbar wurden. Daher erstaunt es nicht, dass der Biber im Fachjargon gerne als ökosystem-Ingenieur betitelt wird.