Pflanzenschutzmittel und Amphibien
Pflanzenschutzmittel (PSM; oder Pestizide) können Amphibien vergiften, auch wenn die Stoffe das offizielle Zulassungsverfahren durchlaufen haben. Angesichts des drastischen Rückgangs der heimischen Amphibien ist ein vertiefter Blick auf den Umgang mit Pestiziden in der Landwirtschaft notwendig.
Amphibien im Acker?
Kröten, Frösche, Unken und Molche kommen nicht nur im Umkreis von Stillgewässern wie Weihern, Teichen und Tümpeln vor. Viele Amphibienarten verbringen den Grossteil ihres Erwachsenenlebens an Land, im so genannten Landlebensraum. Auch auf ihrer Wanderung zum Laichgewässer legen sie teilweise weite Strecken über Land zurück. Der Landlebensraum beschränkt sich dabei nicht auf Wälder, Wiesen oder ökologische Ausgleichsflächen in der Landwirtschaft: Auch auf Äckern halten sich Amphibien auf, manchmal den ganzen Frühling und Sommer lang. Befinden sich Amphibien in intensiv bewirtschafteten Äckern, können sie entsprechend den dort ausgebrachten Spritzmitteln ausgesetzt sein.
In Gewässern, die ausserhalb von landwirtschaftlich genutzten Flächen liegen, lassen sich Pflanzenschutzmittel (PSM) ebenfalls nachweisen. Über die Luft, über den Boden, entlang von Gräben oder Drainageleitungen gelangen viele Stoffe in Stillgewässer und können dort Grenzwerte überschreiten. Wenn sich Amphibien in den Weihern befinden, beispielsweise für die Fortpflanzung oder als Kaulquappen, dann können sie durch PSM geschädigt werden.
Wirkungen
Wenn Amphibien in Kontakt mit Pestiziden kommen, kann dies für sie verheerende Folgen haben. Bei einem Laborversuch (1), der Amphibien mit handelsüblichen PSM in Kontakt brachte, starben je nach Pestizid zwischen 20 und 100 Prozent der Tiere. Veranschaulicht wird dies in der nachfolgenden Abbildung aus der Studie:
Abbildung 1 aus der Studie: Die roten Balken bezeichnen die Mortalitätsrate von Amphibien, die dem jeweiligen Pestizid innerhalb der vom Hersteller empfohlenen Konzentrationen (label rate 1) ausgesetzt waren. Die blauen Balken zeigen die Mortalitätsrate bei einer Anwendung von 1/10 der Konzentration und die gelben Balken die Anwendung der 10 fachen Konzentration.
Aber nicht nur Laborversuche zeigen die Empfindlichkeit von Amphibien in Bezug auf einzelne Stoffe - neuere Studien im Freiland zeigen exakt dieselben Resultate, etwa eine breit angelegte, differenzierte Studie (2) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority EFSA) zum Einfluss von Pestiziden auf Amphibien. Dabei schädigen PSM nicht nur erwachsene Frösche, Kröten, Unken und Molche, sondern auch Laich und Kaulquappen. Die Vergiftungen können Verhaltensänderungen auslösen oder zu Missbildungen führen. Das Immunsystem wird geschwächt, so dass die Tiere anfällig werden für den Befall mit Krankheitserregern. Auch negative Einflüsse auf den Hormonhaushalt werden beobachtet. Aber nicht nur einzelne Individuen werden geschädigt. Man geht heute davon aus, dass PSM die Grösse von Amphibienbeständen um bis zu 30% reduzieren können.
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Gerade Pionierarten wie die Kreuzkröte (Epidalea calamita) leben häufig im Landwirtschaftsland. |
Kreuzkrötenlebensraum angrenzend an einen Maisacker in Zollikofen BE. |
Zulassungsverfahren ohne Amphibien
Wie kann es sein, dass solche Schädigungen entstehen, obwohl es sich um offiziell zugelassene Pflanzenschutzmittel handelt?
Die Zulassung eines PSM erfolgt erst nach einer Vielzahl von Untersuchungen auf seine Umweltverträglichkeit. Diese Untersuchungen laufen aber bisher ohne Einbezug von Amphibien ab. In Tierversuchen werden andere Artengruppen wie Fische und Vögel getestet. Die Behörden argumentieren, dass die Auswirkungen des Stoffs auf Fische und Vögel auch für Amphibien gültig seien. Dies mag in vielen Fällen zutreffen, aber nicht immer. Wie verschiedene Studien zeigen, können Bestandteile von zugelassenen Pestiziden durchaus eine toxische Wirkung auf Amphibien haben, selbst wenn sie für Fische oder Vögel getestet und als verträglich beurteilt wurden.
Schutz ist möglich
Es gibt diverse Bemühungen, den negativen Einfluss von Pestizideintrag auf Amphibien und andere Organismen zu vermindern, etwa durch angepasste Spritzdüsen oder andere technische Massnahmen bei den Maschinen. Bei Rebbergen werden die äussersten Reihen mancherorts nur von aussen nach innen gespritzt, so dass keine PSM aus dem Rebberg in die Umgebung abdriften. Je nach Toxizität des PSM sind grössere Abstände zu Gewässern vorgeschrieben. Von grossem Nutzen sind angelegte Strukturelemente, wie sie in der traditionellen Kulturlandschaft häufig waren. Die Studie der EFSA kam zum Schluss, dass die Wirkung von PSM auf die Populationen der Amphibien umso geringer ist, je mehr Hecken und andere natürlichen Strukturelemente in einer Landschaft vorkommen. (Ganz nebenbei fördern solche Lebensraumelemente auch zahlreiche andere Kleintiere.)
Der Eintrag von PSM in Stillgewässer könnte verringert werden. Denkbar wäre, dass auf landwirtschaftlichen Betrieben die Biodiversitätsförderflächen (BFF) in der Nähe von Gewässern angelegt werden. So könnte der Abstand von Flächen, die gespritzt werden, zu den Gewässern auf einfache Weise vergrössert werden.
Als die ersten Studien über die hohe Toxizität von zugelassenen PSM für Amphibien publiziert wurden, war das Erstaunen gross - damit hatte niemand gerechnet. Heute geht man davon aus, dass PSM sowohl Einzeltiere als auch Populationen schädigen. Massnahmen zum Schutz der Amphibien, deren Schädigung durch Pestizide niemand will, sind also äusserst sinnvoll. Es muss aber auch erwähnt werden, dass PSM nicht der einzige Stressfaktor für Amphibien sind. Es gibt zahlreiche weitere Ursachen für die Gefährdung von Amphibien. Im Amphibienschutz ist es daher wichtig, Massnahmen gegen alle Bedrohungsursachen zu ergreifen.
Literatur
- (1) Brühl, C., Schmidt, T., Pieper, S. et al. Terrestrial pesticide exposure of amphibians: An underestimated cause of global decline?. Sci Rep 3, 1135 (2013). https://doi.org/10.1038/srep01135
- (2) EFSA PPR Panel (EFSA Panel on Plant Protection Products and their Residues), Ockleford C, Adriaanse P, Berny P, Brock T, Duquesne S, Grilli S, Hernandez-Jerez AF, Bennekou SH, Klein M, Kuhl T, Laskowski R, Machera K, Pelkonen O, Pieper S, Stemmer M, Sundh I, Teodorovic I, Tiktak A, Topping CJ, Wolterink G, Aldrich A, Berg C, Ortiz-Santaliestra M, Weir S, Streissl F and Smith RH, 2018. Scientific Opinion on the state of the science on pesticide risk assessment for amphibians and reptiles. EFSA Journal 2018;16(2):5125, 301 pp. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2018.5125