Die Roten Listen der Libellen der Schweiz

Die erste dieser Gruppe gewidmete Rote Liste wurde im Verbreitungsatlas der Libellen der Schweiz publiziert (Maibach & Meier 1987). Sieben Jahre später wurde sie zusammen mit Roten Listen weiterer Tiergruppen in einem umfassenden Werk aktualisiert (Duelli et al. 1994).

1999 entschied das Bundesamt für Umwelt, die von der IUCN definierten Kriterien und Kategorien zu übernehmen, um die periodische Aktualisierung der nationalen Roten Listen zu gewährleisten. Die Libellen wurden als Pilotgruppe auserkoren, um den Aussagewert und die Anwendbarkeit dieser Kriterien und Kategorien auf die Invertebraten zu überprüfen. Es wurde ein Programm zur Aktualisierung der Libellen-Felddaten gestartet, um die notwendigen Informationen zur Beurteilung des Status jeder Art zur Verfügung zu haben. Die Resultate wurden in der dritten Version der Roten Liste der Libellen im 2002 publiziert.

 

Die Rote Liste der Libellen der Schweiz 2021 basiert auf den Kriterien und den Gefährdungskategorien der IUCN (2001, 2017).

Von den 75 bewerteten Arten sind 27 (36 %) gefährdet: 3 (4 %) sind in der Schweiz ausgestorben (RE), 4 (5 %) vom Aussterben bedroht (CR), 9 (12 %) stark gefährdet (EN) und 11 (15 %) verletzlich (VU). 6 (8 %) Arten sind potenziell gefährdet (NT). Knapp die Hälfte der Arten der roten Liste (13) besiedeln Flach- und Hochmoore, Lebensräume, welche in allen Höhenlagen bedroht sind. In anderen Lebensraumtypen ist der Anteil gefährdeter Arten geringer: Quellen, kleine Fliessgewässer und Gräben (4), Flüsse und Seeufer mit Wellenschlag (6), kleine Stillgewässer (6). Diese drei Biotoptypen beherbergten zudem je eine in der Schweiz bereits ausgestorbene Art.

Die vorliegende Rote Liste ersetzt diejenige von Gonseth & Monnerat (2002). Die Anzahl Arten in den Gefährdungskategorien (RE, CR, EN, VU) ist sehr ähnlich: Die Liste von 2002 enthielt 26, die revidierte Version umfasst 27 Arten. Inzwischen ist in der Schweiz eine dritte Art ausgestorben. Die Lage mehrerer früher vom Aussterben bedrohter oder stark gefährdeter Arten (CR, EN) hat sich dank Revitalisierungsmassnahmen von Hochmooren, Flüssen und Bächen verbessert. Zudem haben spezifische Artenförderungsmassnahmen zur Verbesserung der Situation beigetragen. Dank dieser Massnahmen zur Förderung der Libellen weisen die berechneten Rote-Listen-Indizes einen positiven Trend auf. Für die nicht gefährdeten Arten ist die Bilanz auch positiv, da deren Bestände meist stabil sind oder manchmal sogar zugenommen haben.

Die Arten, die vor allem auf Flachmoore und andere Lebensräume mit natürlich schwankendem Wasserstand angewiesen sind, oder die boreoalpinen Arten, die auf Hochmoore und saure Flachmoore angewiesen sind, leiden unter der laufenden Verschlechterung der Lebensraumqualität. Zudem lassen Vorhersagemodelle erwarten, dass ihre Gefährdung mit dem Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten laufend zunehmen wird.

 

Dritte Version (2002)
Die Rote Liste der Libellen 2002 ist nach derjenigen der Vögel (2001) die zweite nationale Rote Liste, welche auf den von der IUCN vorgeschlagenen Gefährdungskriterien und -kategorien basiert. Sie war das Ergebnis einer intensiven Feldarbeit (es sind über 40‘000 Daten zusammengekommen), welche zwischen 1999 und 2001 durchgeführt wurde.


Koordination und Projektverantwortliche

Christian Monnerat (CSCF), Yves Gonseth (CSCF)

mit der geschätzten Mitarbeit folgender Personen aus dem Kreis der Schweizer Odonatologen: René Hoess (Bern, BE), Christian Keim (Martigny, VS), Tiziano Maddalena (Gordevio, TI), Alain Maibach (Oron-la-Ville, VD), Claude Meier (Zürich, ZH), Peter Weidmann (Chur, GR) und Hansruedi Wildermuth (Rüti, ZH).

Umsetzungsphase: 1999-2002

Zusammenfassung
Dank dem Projekt Odonata 2000 war es möglich, 40'000 neue Meldungen zu sammeln, wobei nicht nur bekannte Standorte überprüft, sondern auch neue Standorte prospektiv untersucht wurden. Bei mindestens 97'000 Angaben wurde geklärt, welchen Status die Arten in der Roten Liste einnehmen - dies unter Berücksichtigung der neuen, von der IUCN vorgeschlagenen Kriterien (Version 2001). Das BUWAL veröffentlichte die entsprechenden Ergebnisse im Dezember 2002 in seiner Reihe Vollzug Umwelt unter dem Titel «Rote Liste der gefährdeten Libellen der Schweiz». Diese Publikation ersetzt die Rote Liste von Maibach & Meier (in Duelli 1994).

Resultate (Gonseth & Monnerat 2002 p.36)
Das von der IUCN vorgeschlagene Verfahren für die Ermittlung des Rote Liste Status einer Art verlangt nach quantitativen Kriterien, für deren Umsetzung ein solch hoher Wissenstand und solch hohe finanzielle Mittel nötig sind, dass im Falle der Wirbellosen deren Anwendung auf den ersten Blick nicht realisierbar scheint. Wir sind jedoch der Meinung, dass mit dem hier gewählten Vorgehen ein guter Kompromiss zwischen einer simplen Bewertung aufbauend auf Expertenwissen und der nun geltenden, überaus aufwendigen Prozedur gefunden werden konnte. Die hier vorgeschlagene Lösung, welche eine möglichst breite Berücksichtigung der "objektiven" quantitativen Daten bevorzugt, sollte bessere Grundlagen für Vergleichsmöglichkeiten zwischen alten und neuen Listen schaffen und es so erlauben, die gegebenenfalls getroffenen Massnahmen zu Gunsten der Arten und ihrer Lebensräume besser zu erfassen.
Es muss jedoch festgehalten werden, dass mit dem hier gewählten Vorgehen, welches dem Verbreitungs- und Besiedlungsareal den Vorrang gibt, die seltenen und/oder an ihrer Verbreitungsgrenze liegenden Arten mehr Gewicht erhalten. Die Tatsache, dass 14 der 26 Arten der neuen roten Liste der Libellen der Schweiz in der Schweiz immer selten gewesen sind, ist ein eindeutiger Beweis dafür. In diesem Zusammenhang muss den Arten speziell Beachtung geschenkt werden, die unabhängig von ihrem Rote Liste Status aufgrund der Resultate einen starken Rückgang aufweisen. Der anhaltende Rückgang von Populationen häufiger Arten ist in der Tat eine Entwicklung, die ebenso  besorgniserregend ist wie derjenige von seltenen Arten. Auf der Ebene der Prioritätensetzung im Artenschutz kann dieser Befund von Bedeutung sein. Für die Schweiz ergeben sich daraus folgende Prioritäten im Artenschutz der Libellen:

 

 

  • In der Schweiz und überall in Europa seltene, stark gefährdete Arten, deren Populationen isoliert oder fragmentiert sind und meist stark rückgängig sind (z. B. Epitheca bimaculata, Lestes virens, Leucorrhinia pectoralis, Ophiogomphus cecilia, Sympetrum flaveolum, Sympetrum pedemontanum)
  • Orophile Arten, gefährdet oder nicht, die charakteristisch für anfällige Lebensräume wie Hoch- oder Flachmoore sind (z. B. Aeshna caerulea, Aeshna subarctica, Cordulegaster bidentata, Leucorrhinia dubia, Somatochlora alpestris, Somatochlora  arctica)

Neuer Verbreitungsatlas


FH12_odo_de.jpgIm Rahmen dieses Projekts wurden so viele noch unveröffentlichte chorologische und ökologische Daten zusammengetragen, dass es gerechtfertigt erschien, den 1987 erstmals erschienenen Verbreitungsatlas der Libellen der Schweiz neu herauszugeben. Das Werk ist mit den bisher unveröffentlichten Bildern des bekannten Kunstmalers und Naturforschers Paul-André Robert illustriert und wurde 2005 in der Reihe Fauna Helvetica publiziert.


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Erste Fassung (1987)
Die erste Rote Liste war Bestandteil des Verbreitungsatlas’ der Libellen der Schweiz (Maibach & Meier, 1987). Diese Liste ist zusammen mit der im gleichen Jahre erschienen Roten Liste der Tagfalter der Schweiz das erste solche Dokument auf Schweizer Ebene für eine Artengruppe der Wirbellosen. Als Grundlage zur Einschätzung der Arten dienten die 25'598 Datenbankeinträge des CSCF. Für die Vergabe der Gefährdungsstufe kamen folgende Kriterien zum Tragen (S. 214) :

  • Anzahl und Zustand der Standorte mit Vorkommen der Art seit 1970.
  • Entwicklung der Situation seit dem Forschungsbeginn über unsere Fauna.
  • Gefährdungen der Lebensräume in Abhängigkeit des Trends der letzten 50 Jahre.
  • Eigenheiten der Ökologie der Art.


Zweite Fassung (1994)

Die zweite Version erschien 1994 (Maibach & Meier in Duelli et al.) und zeigt nur wenige Veränderungen. Zur Beurteilung konnten zusätzlich circa 6300 Daten aus der Datenbank des CSCF beigezogen werden, welche in den Jahren 1987 bis 1993 zusammen gekommen sind.