Programm zur Mustererkennung von Geburtshelferkröten
Zur Analyse des Wanderverhaltens und der Raumnutzung von Tieren müssen die Individuen im Gelände eindeutig erkannt werden. Bei Amphibien ist eine Mustererkennung anhand charakteristischer Körpermerkmale bereits etabliert. Für das leuchtend gelb-schwarze Fleckenmuster einer Gelbbauchunke oder eines Kammmolchs stehen bereits computergestützte Lösungen bereit. Fehlt aber ein starker Farbkontrast im natürlichen Muster, wird das Unterscheiden von Auge mühsam und selbst die computergestützte Analyse mit bisherigen Programmen stösst an ihre Grenzen. Aus diesem Grund wurde ein neues open-source-Programm zur Analyse von individuellen Punktmustern entwickelt.
Abb. 1: Bei der Geburtshelferkröte ist es möglich, Individuen anhand der Anordnung der grossen Hautwarzen auf dem Rücken zu unterscheiden.
Wie funktioniert das Programm?
Die automatisierte Vergleichsmethode basiert auf der Idee, dass die Positionen auffälliger Punkte auf dem Körper der Tiere als Koordinaten direkt im Programm erfasst werden. Auf die Geburtshelferkröte angewendet, wird also anstatt der komplexen Fotos mit tausenden Pixel nur noch die relative, mit Punktkoordinaten definierte Anordnung der Hautwarzen miteinander verglichen. Werden die Punktmuster von zwei Tieren übereinander gelegt, so decken sie sich, sofern es sich zweimal um dasselbe Tier handelt. Für jeden Paarvergleich der «Koordinaten-Muster» zweier Tiere wird also eine Art Ähnlichkeitsindex berechnet. Je höher der Index, desto eher liegt ein Wiederfang desselben Tiers vor. Der Entscheid, ob es wirklich ein Wiederfang ist, muss nach wie vor von Auge gefällt werden. Der Computer hilft mit, die Fälle mit grösster Wahrscheinlichkeit auszusortieren und verringert damit die Arbeitszeit.
Was beinhaltet das Programm?
Mit dem Programm können alle Arbeitsschritte vom Importieren der Fotos, über Bildbearbeitung, Erfassen der Warzenmuster, Berechnen der Paarvergleiche, Qualitätskontrolle bis zum Export der Resultate durchgeführt werden. Im Programm implementiert ist eine Datenbank, welche Daten wie Fotos, Koordinaten der Warzen, etc. enthält. Das Programm wird auf einem Server installiert und kann über einen Browser geöffnet werden. Dadurch kann es von verschiedenen Nutzern gemeinsam verwendet werden. Für die Benutzung des Programmes braucht es keine vertieften Informatikkenntnisse. Eine Benutzungsanleitung ist enthalten.
Installation
Das Programm ist gratis zugänglich und dank ungeschütztem Quellcode auch durch Dritte erweiterbar (open source). Es wird auf einem Server installiert und ist plattformunabhängig. Die Installation erfordert vertiefte Informatikkenntnisse und deshalb nach Bedarf die Unterstützung eines Informatik-Spezialisten (Aufwand ca. 1-2 h).
Abb. 2: Die Positionen auffälliger Warzenpunkte können im Programm direkt als Koordinaten erfasst werden (gelbe Punkte auf Fotos). Das Programm legt die Punktmuster von zwei Tieren übereinander (Grafik rechts) und berechnet eine Übereinstimmung. Im gezeigten Beispiel überlappen sich viele Warzen exakt oder zumindest in einem definierten Überlappungsradius (als fett dargestellte blaue und rote Punkte). Die visuelle Kontrolle bestätigt, dass es sich um identische Individuen handelt.
Welche Qualität müssen die Fotos haben, damit das Programm funktioniert?
Das Programm funktioniert bereits mit unbearbeiteten Fotos. Minimale Voraussetzung für die Anwendung sind Fotos mit demselben Ausschnitt, auf welchen die Punktmuster erkennbar sind. Die Trefferquote, dass ein zweites Foto als übereinstimmendes Tier erkannt wird, steigt jedoch mit der Qualität der Feldfotos. Wir empfehlen deshalb beim Fotografieren das Benutzen einer hellen Unterlage als Hintergrund, eine starke, gleichmässige Beleuchtung und ein Stativ für die Kamera, damit stets derselbe Ausschnitt aus demselben Winkel aufgenommen wird.
In welchen Projekten lohnt sich eine Anwendung?
Das Wiedererkennen von sich frei bewegenden Tieren ist überall dort gefragt, wo mit Fang-Wiederfang Bestandesgrössen oder die Raumnutzung der Tiere (wie z.B. Vernetzungsachsen) bestimmt werden sollen. Erforschen ökologischer Grundlagen sowie Monitoring und Erfolgskontrolle (z.B. im Rahmen von Umsiedlungen) gehören deshalb zu sinnvollen Anwendungsbereichen.
Kann das Programm auch für weitere Arten verwendet wenden?
Für die Anwendung kommen theoretisch alle Tierarten in Frage, bei welchen die Anordnung punktförmiger Merkmale individuell ausgeprägt ist. Dies trifft beispielweise auch für Kreuzkröten und Teichmolche zu. Die Tauglichkeit des Programms für diese Arten soll demnächst getestet werden. Nach Bedarf lässt sich das Werkzeug in Zukunft auch für andere Mustertypen weiterentwickeln.
Downloads
Das Programm muss auf einem Server installiert werden.
- Download
- Anleitung zur Installation
- Benutzungsanleitung (pdf)
- Testversion (online testen): http://159.100.250.81
User: alob
Passwort: Alytes2017
Artikel in N+L Inside Ausgabe 1/18:
Neues Tool für Erfolgskontrollen Amphibien. Programm zum Wiedererkennen von Individuen mit Punktmustern / Nouvel outil pour le suivi des batraciens. Un logiciel de reconnaissance des individus à motifs à point. Schlup et al. 2018. PDF
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Barbara Schlup
Hintermann & Weber AG
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