Vorranggebiete Reptilien
Alle Reptilien sind bundesrechtlich geschützt. Es wäre jedoch unverständlich, wenn jedes Habitat mit Reptilienvorkommen einfach als national bedeutend eingestuft würde. Im Jahr 1999 schlug die Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (karch) dem BUWAL (heute BAFU) deshalb einen Kriterienkatalog vor, mit dem die «Reptilienlebensräume von nationaler Bedeutung» bezeichnet werden können. Das BAFU hat diese Kriterien inhaltlich gutgeheissen. Um den vielerorts trotzdem noch zu wenig beachteten Reptilienschutz gezielt initiieren, fördern und intensivieren zu können, erarbeitet die karch nun kantonsspezifische Listen mit den wichtigsten Reptilienlebensräumen als Vorranggebiete für den Reptilienschutz. In diesen Listen wird zudem eine eingeschränkte Auswahl von besonders wichtigen und prioritär schutzbedürftigen Gebieten ausgewiesen.
Es können grundsätzlich zwei Kategorien von Vorranggebieten unterschieden werden:
A. Vorranggebiete ohne Bedarf an Aufwertungs- und Pflegemassnahmen:
Dabei handelt es sich vorab um montane und subalpine Lebensräume mit starken Reptilienbeständen, deren Ist-Zustand erhalten werden soll. Darüber hinaus fallen in diese Kategorie auch grossflächige Lebensräume im Flachland, die im Rahmen bestehender Inventare oder durch anderen gesetzlichen Schutz in den meisten Fällen bereits gesichert sind (Südufer des Neuenburgersees als Beispiel). Solche Lebensräume dienen als wichtige Stützpfeiler und Reservoirs beispielsweise für die beiden Vipernarten oder die Ringelnatter.
B. Vorranggebiete mit Bedarf an Aufwertungs- und Pflegemassnahmen:
In diese Kategorie gehören in erster Linie Perimeter in tieferen Lagen und mit negativen Tendenzen hinsichtlich ihrer Qualität als Reptilienlebensräume. Diesen Tendenzen muss entgegengewirkt werden, um den Lebensraum langfristig zu erhalten und zu verbessern. Als mögliche Beispiele seien Auenwälder mit ungenügender Hochwasserdynamik, verbuschende und verwaldende Offenstandorte im Wald, ungünstige Waldränder, extensives Kulturland sowie stillgelegte Kiesgruben und Steinbrüche genannt.
Für Gebiete der Kategorie A gilt, dass aufgrund ihrer grossen Bedeutung als Reptilienlebensräume Veränderungen zu ungunsten der Reptilien vermieden werden müssen. Das können erfahrungsgemäss land- und forstwirtschaftliche, aber auch militärische Erschliessungen sein, der Bau touristischer Infrastruktur, landwirtschaftliche Nutzungsänderungen sowie der Verbau gegen Naturgefahren. Qualität und Ausdehnung von Gebieten der Kategorie A sollen erhalten, eine Fragmentierung verhindert werden. Sie bedürfen vorab einer gewissen Aufmerksamkeit der kantonalen Naturschutzbehörden und verursachen kaum Aufwände. Schutz- und Pflegemassnahmen können grundsätzlich landschaftsorientiert sein. Für die Reptilien sollten vorab Primärstandorte erhalten und Zerschneidungen verhindert werden.
Die Anzahl der Gebiete in Kategorie B wird entsprechend der räumlichen Ausdehnung und der Bedeutung des jeweiligen Kantons für die Reptilienfauna möglichst beschränkt (rund fünf bis zehn Perimeter pro Kanton). Hier wären effiziente und rasch greifende Massnahmen zur Aufwertung und zur Pflege geeigneter Lebensräume notwendig. Ein grober Massnahmenkatalog wird den Kantonen zur Verfügung gestellt. Für die Reptilien sind das oft waldwirtschaftliche Massnahmen (Schlagen und Pflegen von Lichtungen, Aufwertung und Pflege von Waldrändern) oder Entbuschungsaktionen sowie das Anlegen und die Pflege von reptilienfreundlichen Kleinstrukturen an geeigneten Stellen.