Welche Auswirkung haben wärmere Winter auf Amphibien?
Die Erkenntnisse, welche Folgen wärmere Winter für Amphibien haben, sind widersprüchlich. In Studien konnten sowohl negative als auch positive Effekte nachgewiesen werden. Bis zu einem gewissen Grad scheinen Amphibien ihr Verhalten dem Klimawandel anpassen zu können.
Durch den Klimawandel sind die Winter in der Schweiz wärmer geworden und oft auch kürzer (MeteoSchweiz). Als wechselwarme Tiere verbringen Amphibien den Winter zwar in der Winterruhe, trotzdem beeinflusst sie das verändere Klimaregime auch zu dieser Jahreszeit. Denn im Winter zehren Amphibien von den Fettreserven, die sie im Sommerhalbjahr aufbauen konnten (Tattersall & Ultsch 2008). Je wärmer es im Winter ist, umso mehr Fettreserven verbrauchen Amphibien in der Winterruhe.
Eine Studie über die Erdkröte in Grossbritannien konnte belegen, dass die Weibchen nach warmen Wintern mit einem geringeren Body-Mass-Index aus der Winterruhe kamen. In der Juvenilphase führten warme Winter sogar dazu, dass die Tiere kleiner blieben, vermutlich weil sie mehr Energie verbrauchten, die nun für das Wachstum fehlte (Reading 2007).
Andererseits hatten wärmere Winter keinen Einfluss auf die Anzahl Laichschnüre im darauffolgenden Frühjahr in einer Population von britischen Kreuzkröten, die über 30 Jahre beobachtet wurden (Beebee 2011). Eine neuere Studie von 2016 belegt sogar einen positiven Effekt von wärmeren und kürzeren Wintern auf Amphibien: Juvenile Erdkröten hatten im Labor bessere Überlebensraten und kamen auch mit höherem Körpergewicht aus der Überwinterung, wenn die Temperaturen rund 3°C erhöht und der labor-simulierte Winter um einen Drittel verkürzt wurden (Ueveges et al. 2016).
Die Erkenntnisse, wie sich der Klimawandel auf das Überwintern von Amphibien auswirken wird, sind also widersprüchlich. Die Auswirkung auf demografische Parameter variiert in Richtung und Reichweite stark zwischen Arten wie auch zwischen Populationen der gleichen Art (Muths et al. 2017). Zum jetzigen Zeitpunkt ist es somit nicht möglich, Vorhersagen zur Auswirkung von wärmeren Wintern auf die Amphibien zu machen, genauso wenig wie generelle Empfehlungen für geeignete Schutzmassnahmen zu geben. Bekannt ist, dass es grosse individuelle Unterschiede in der Stoffwechselrate von Amphibien gibt (Kristin & Gvozdik 2014). Individuen, die einen langsamen Stoffwechsel besitzen, dürften bessere Voraussetzungen haben, um einen langen, warmen Winter zu überleben als solche, die Fettreserven schnell verstoffwechseln.
In grossen Populationen mit einer grossen genetischen Variabilität dürften die Voraussetzungen gegeben sein, dass Selektion stattfinden kann und die Tiere, die am besten an neue Überwinterungsbedingungen angepasst sind, überleben werden. Zudem können Amphibien schnell auf veränderte Temperaturen im Spätwinter reagieren: In den Jahren 1998-2003 führte eine veränderte Nordatlantische Oszillation zu tiefen Temperaturen bis ins Frühjahr hinein. Amphibien im nördlichen Mittelmeerraum kamen demnach sehr spät aus der Winterruhe an die Laichgewässer. In den Jahren 1983 bis 1997 und 1998-2010 führte die Nordatlantische Oszillation jedoch zu einem immer früheren Frühlingsbeginn, und entsprechend verliessen auch die Amphibien die Winterquartiere früher (Prodon et al. 2019).
Amphibien scheinen also über die Fähigkeit zu verfügen, ihr Verhalten dem Klimawandel zumindest teilweise anzupassen. Ausserdem scheint in grossen Populationen genügend genetische Variabilität vorhanden zu sein, dass Selektion dort ansetzen kann. Wie sich das Experiment «Klimawandel» auf die Amphibien auswirken wird, werden aber erst die kommenden Jahre und Jahrzehnte zeigen.
Literatur:
- Tattersall GJ, Ultsch GR, 2008: Physiological ecology of aquatic overwintering in ranid frogs. Biol Rev Camb Philos Soc 83(2): 119-140
- Reading CJ, 2007: Linking global warming to amphibian declines through its effects on female body condition and survivorship. Oecologia 151(1): 125-131
- Beebee T.J.C, 2011: Modelling factors affecting population trends in an endangered amphibian. Journal of Zoology 284(2): 97-104
- Ueveges B, Mahr K, Szederkenyi M, et al. 2016: Experimental evidence for beneficial effects of projected climate change on hibernating amphibians. Scientific Reports 6: 26754
- Kristin P, Gvozdik L, 2014: Individual variation in amphibian metabolic rates during overwintering: implications for a warming world. Journal of Zoology 294(2): 99-103
- Prodon R, Geniez P, Cheylan M, Besnard A, 2019: Amphibian and reptile phenology: the end of the warming hiatus and the influence of the NAO in the North Mediterranean. International Journal of Biometeorology: 1-10.
- E. Muths, T. Chambert, B. R. Schmidt, D. A. W. Miller, B. R. Hossack, P. Joly, O. Grolet, D. M. Green, D. S. Pilliod, M. Cheylan, R. N. Fisher, R. M. McCafery, M. J. Adams, W. J. Palen, J. W. Arntzen, J. Garwood, G. Fellers, J.-M. Thirion, A. Besnard & E. H. Campbell Grant, 2017: Heterogeneous responses of temperate-zone amphibian populations to climate change complicates conservation planning. Scientific reports: 7: 17102. DOI:10.1038/s41598-017-17105-7
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