Italienische Blindschleiche
Anguis veronensis Pollini, 1818
Die Italienische Blindschleiche (Anguis veronensis – Pollini, 1818) gleicht stark der Blindschleiche (Anguis fragilis), die wir nördlich der Alpen finden. Die Männchen sind meist einfarbig braun oder grau gefärbt und erreichen eine Gesamtlänge von rund 50 cm.
Die etwas kleineren Weibchen und die Jungtiere werden durch eine dunkle Flanken- und Bauchfärbung sowie häufig einen dünnen Vertebralstrich charakterisiert. Bei einigen Individuen ist die Grundfärbung nicht einfarbig, sondern wird durch kleine, dunkle Tupfen ergänzt, die häufig linienartig angeordnet sind.
Wie auch die Blindschleiche unterscheidet sich die Italienische Blindschleiche von den Schlangen unter anderem durch die sehr glatte, glänzende Beschuppung. Weitere Unterscheidungsmerkmale letzteren gegenüber sind die beweglichen Augenlider und das Fehlen von Bauchschienen: Blindschleichen sind rundum dachziegelartig beschuppt.
Auch die Italienische Blindschleiche ist in der Lage, ihren Schwanz, der rund doppelt so lang wie der Körper ist, bei Gefahr abzuwerfen (Autotomie). Im Gegensatz zu den Eidechsen wächst der Schwanz aber nur stummelartig nach.
Morphologisch ist die Italienische Blindschleiche kaum von der Blindschleiche nördlich der Alpen zu unterscheiden. Aktuelle Studien zeigen, dass bei der italienischen Art der Schwanz proportional leicht länger ist und der Kopf etwas grösser ist. Die beiden Arten kommen aber in der Schweiz, soweit man bisher weiss, nirgends gemeinsam vor, und entsprechend können sie neben genetischen Methoden auch rein aufgrund des Fundortes bestimmt werden.
Derzeit gibt es keine ökologischen oder ethologischen Studien, die Unterschiede in der Biologie der beiden Schweizer Blindschleichenarten zeigen würden, und wahrscheinlich gibt es auch kaum grössere Unterschiede.
Einen grossen Teil ihres Lebens, das über 40 Jahre dauern kann, verbringt die lebendgebärende Blindschleiche unterirdisch. Dazu ist sie mit ihrem walzenförmigen Körper und den hautknochengestützten, rund um den Leib gleichmässig kleinen Schuppen bestens ausgerüstet. Junge Blindschleichen, bei Geburt nur 7 bis 9 cm lang, scheinen sich vorwiegend in bereits vorhandenen Gängen zu bewegen, während Erwachsene wohl öfter selbst wühlen und zur Winterruhe bis zu 1.5 m unter die Erdoberfläche dringen können. Es wurden schon bis zu hundertköpfige Ansammlungen überwinternder Blindschleichen in verlassenen Kleinsäugerbauten ausgegraben, deren Eingänge sorgfältig mit Gras, Moos und Erde zugestopft wurden.
Im Sommer entdeckt man unter Brettern, Fallholz, Geröll, Stein- und Blechplatten sowie in Heu-, Laub-, Kompost- und Misthaufen nicht selten gleich mehrere Blindschleichen der verschiedensten Altersklassen zusammen. Es sind wohl weniger soziale Bedürfnisse, welche die Tiere zusammenführen, als vielmehr die günstigen lokalen Bedingungen.
Gemäss dem aktuellen Kenntnisstand kommt die Italienische Blindschleiche in der Schweiz nur im Tessin und im Misox vor, von den tiefsten Lagen bis mindestens 1'900 m ü.M. Im italienischen Trento erreicht die Art Höhenlagen von gut 2'300 m ü.M.
Im Bergell, wo man aus zoogeografischen Gründen eher Anguis veronensis erwarten würde, leben aber ausschliesslich Anguis fragilis. Unklar ist derzeit noch die Artzugehörigkeit der Blindschleichen im Calancatal, im Puschlav und im Münstertal.
In der Schweiz sind die beiden Blindschleichenarten noch weit verbreitet, obschon das besiedelte Gebiet der italienischen Art naturgemäss in der Schweiz relativ klein ist. Die Intensivierung der Landwirtschaft sowie der Bau von Siedlungen und Verkehrswegen tragen aber sicher überall zu einem Rückgang beider Arten bei. In gewissen Regionen scheint die Blindschleiche entweder selten zu sein (z.B. im Misox), oder sie ist hier weniger gut nachweisbar als anderswo.
Reptilien sind stark ortsgebunden, und ihr Ausbreitungspotenzial ist klein. Aus diesem Grund ist es wünschenswert, die bestehenden Habitate zu erhalten und zu verbessern, aber auch neue Habitate zu schaffen. Vor allem in den tieferen Lagen des Verbreitungsgebietes dürfte aber das Gegenteil der Fall sein, und umso dringender und wichtiger erscheint die Vergrösserung und Vernetzung der verbleibenden Lebensräume beispielsweise durch Hecken, Säume, Waldränder oder gut strukturieren Böschungen. Es ist nicht unbedingt zwingend, Blindschleichenlebensräume unter Schutz zu stellen, aber für die Blindschleiche wie auch viele andere Reptilienarten wäre eine naturnähere, extensive Landwirtschaft dringend notwendig.
Beide Schweizer Blindschleichenarten besiedeln sehr ähnliche und vor allem sehr vielfältige Lebensräume. Dazu gehören nasse Bereiche von Mooren und Ufern, lichte Wälder, Femel- und Saumschläge, Waldränder, Feldgehölze, Hecken, Feld-, Strassen- und Autobahnraine sowie ähnlich brachliegende Randbereiche, selten und nicht zu tief gemähte Wiesen, extensiv genutzte Weiden und Weinberge, ebenso Ruderal- und Hochstaudenfluren von unversiegelten Industriegeländen wie Bahnareale, Materialdepots, Kies- und Lehmgruben.
Ferner lebt die Blindschleiche auf Schiessplätzen und anderem militärischem Übungsgelände. Wie kein anderes einheimisches Reptil vermag sich die Blindschleiche in Siedlungen, darunter selbst in Städten, zu halten. Dort bewohnt sie nebst den bereits zuvor erwähnten Biotopen auch Familiengärten, Pärke, Friedhöfe und extensiv gepflegte Hausgärten.
Männchen der Italienischen Blindschleiche
Portrait eines Männchens
Weibchen der Italienischen Blindschleiche
Blindschleichen kommen in verschiedensten Lebensräumen vor, wie z.B. in Feuchgebieten, Siedlungsräumen, Waldrändern, Wiesen etc.. Mit Vorliebe halten sich die Blindschleichen in kraut- und altgrasreichen Bereichen auf.
Steckbrief
- Körper lang gestreckt
- Kopf klein und stumpf, nicht vom Körper abgesetzt
- Auge klein und unauffällig
- Beschuppung sehr glatt und glänzend
- Adulte Männchen: oft einfarbig grau oder braun
- Weibchen und Jungtiere: mit dunklen Flanken und Rückenstrich
- Jungtiere sehr hell gefärbt, Grundfarbe kupfern, golden oder silbern
- Verwechslungsarten: Westliche Blindschleiche, Schlingnatter
- Status Rote Liste: nicht beurteilt (NE)
- Beobachtung melden
Downloads
- Merkblatt: Die Blindschleiche (pdf)